Tod früher und heute

Bestattungswesen, Totenkult, Grabmale – von der Frühgeschichte bis heute

Erstmals beim späten Homo erectus vor 500.000 bis 300.000 Jahren ergaben sich Hinweise auf Totenbehandlung und Totenriten. Dies bedeutete, dass sich der Mensch mit Leben und Tod auseinander setzte: Was geschieht mit dem Verstorbenen? Wo geht er hin? Kommt er wieder, eventuell in anderer Gestalt? Man machte sich also Vorstellungen über den Tod, aus denen dann entsprechende Bräuche entstanden.

Das Grab ist das Haus des Toten – dies gilt für alle Bestattungsformen. Nichtsesshafte Sippen bzw. Nomaden wohnten in Höhlen, die sie im Todesfall dem Verstorbenen hinterließen. Hierbei handelte es sich zumeist um Einzelgräber. Auf freier Ebene erfolgte das Begräbnis eher flach – das Grab wurde mit Steinen oder Felsen bedeckt, zum Schutz vor Ausgraben durch wilde Tiere sowie zum Schutz der Lebenden vor den Toten – man fürchtete sich vor deren Wiederkehr. Gekennzeichnet wurde das Grab durch Steine oder Zweige. Daraus können die heutigen Prototypen des Grabmals abgeleitet werden:

Das aufrechte Zeichen steht sinnbildlich für die Auferstehungshoffnung, für den Fortbestand des Toten – er ist immer noch „unter uns“. Es ist ein Stellvertreter des Toten, der darin weiterlebt und hält die Erinnerung an ihn wach.

Man wollte den Toten ein Haus zur Verfügung stellen. Der Tote wurde im Haus – im speziell gebauten Totenhaus oder seinem bisherigen Wohnhaus – aufgebahrt. In die Totenhäuser brachten die Angehörigen eine Zeit lang Gaben und Nahrungsmittel, weil man glaubte, dass der Tote ungefährlich war, solange er alles besaß, was er auch im Leben besessen hatte. Wenn der dann aus dem Haus gebracht wurde, musste das Haus verbrannt werden, ebenso der Tote selbst oder bei einer Körperbestattung musste er gefesselt werden. Man fürchtete, dass er zu den Lebenden zurückkehren könnte.

 

Mit Beginn der Sesshaftigkeit des Menschen entstanden Gräberfelder, auch Nekropolen genannt. Ein solches Gräberfeld unterstrich das Gemeinschaftsbewusstsein der Menschen – die Verstorbenen verblieben innerhalb der Gemeinschaft.

In Neuguinea nimmt der Verstorbene im Totenland die gleiche Position und den gleichen gesellschaftlichen Rang ein wie im irdischen Sozialverband. Aus diesem Grund ist der Tod eines Angehörigen für die Hinterbliebenen stets mit den erheblichen ökonomischen Belastungen einer aufwändigen Nahrungsmittel- oder Wertsachenpräsentation verbunden, die oft erst Jahre nach dem Tod realisiert wird und den endgültigen Abschluss der Totenfeierlichkeiten bildet. Dieser Aufwand dient auch zur Garantie der wohlwollenden Hilfe des Toten für seine Hinterbliebenen.

S innbilder der Gesellschaften in Neuguinea sind die Boote, die Kulthäuser, die Plattformen und die megalithischen Kultplätze(Megalith = Großsteingrab). Aus dem besonderen Stellenwert des Bootes ergeben sich die bootsförmigen Grabanlagen, die bootsförmigen Särge oder die Bestattung der Gebeine in Booten selbst.

Kennzeichnend für die Küstenkulturen von Neuguinea ist eine äußerst sorgfältige Pflege des Leichnams, der gewaschen, frisiert, rasiert und anschließend in feingeflochtene Matten oder Baststoffbahnen gehüllt wird. Die Aufbahrung erfolgt auf speziell gefertigten sessel- oder leiterartigen Gestellen, meist in einer schrägen Position des festgebundenen Körpers, gelegentlich auch in Bootskörpern. Jede Berührung des Körpers mit der Erde wird vermieden.

Die Beisetzung erfolgt vorwiegend in Erdgruben, die mit Holzlatten oder Steinplatten abgedeckt werden. Einfache Klanmitglieder werden liegend beigesetzt, Führer dagegen in hockender Position. Nach der Endbestattung wird der Schädel des Verstorbenen entnommen und entweder an den heiligen Schädelplätzen oder in den Kulthäusern aufbewahrt.

Bei der Brandbestattung werden die übriggebliebenen Leichenbrandreste bestattet. Die ältesten Hinweise auf Brandbestattung sind aus Kebarah (Israel) mit einem Alter von über 30.000 Jahren und aus Mungo in Australien (25 .000 Jahre) bekannt.

In der neueren Zeit tritt die Brandbestattung verstärkt in der ersten bäuerlichen Kultur Mitteleuropas auf. Die Menschen dachten, durch Verbrennen würde die Seele nach dem Tode freigesetzt.

Die Überreste der Toten wurden nach der Verbrennung auf dem Scheiterhaufen in einer Urne aus Ton niedergelegt und anschließend auf einem abgesonderten, außerhalb der Siedlungsplätze gelegenen Gräberfeld beigesetzt . In der früheren Eisenzeit wurden Hausurnen in Form eines Hauses hergestellt.

Neben der Urne wurden ins Grab auch andere Tongefäße und manchmal auch unterschiedliche Gegenstände gegeben. Diese Nekropolen haben vermutlich auch die Rolle von Kultstätten erfüllt.

In der neueren Zeit tauchte die Idee, menschliche Leichname zu verbrennen, erstmals in der Renaissance als Rückgriff auf die Antike auf. Als Vorteile der Feuerbestattung wurden sanitäre Gründe sowie die teure Landbeschaffung für die Friedhöfe aufgeführt. Ursprünglich war die Feuerbestattung als Strafe gedacht oder wurde bei Seuchengefahr angewandt. Erst im Zeitalter der Aufklärung konnte sie allmählich Fuß fassen.

In Deutschland wurde die erste Kremationsanlage 1878 in Gotha in Betrieb genommen. Die Gebühr pro Bestattung betrug seinerzeit 150 DM. Die zweite Anlage entstand 1891 in Heidelberg und war für die Bedürfnisse in ganz Süddeutschland ausgelegt.

Oftmals blieben Skelette für immer ausgesetzt, z. B. bei Jägern, Viehzüchtern oder Schamanen in Sibirien. Sibirischen Legenden zufolge entstehen aus den Knochen von Schamanen neue Knochen. Die mongolischen Lamas hatten ihre Toten unter freiem Himmel beigesetzt. Als gutes Zeichen galt es, wenn wilde Tiere und Raubvögel die Leiche rasch auffrassen, als schlechtes Zeichen, wenn die Leiche langsam verweste. Deswegen wurden „heilige“ Hunde gehalten, die die Arbeit zur Beseitigung der Leiche beschleunigen sollten. Hohe Würdenträger und besonders Fromme wurden ver- brannt, damit sie noch schneller ins Jenseits gelangten.

Vielfach fanden Knochenbestattungen statt, meist Schädel- oder Langknochen, die mit bestimmten Riten beigesetzt wurden. Knochenfunde aus der Altsteinzeit weisen darauf hin, dass die Leichname als Bestandteil der Totenriten manipuliert, d.h. zerlegt wurden. Manipulationen am Leichnam sind für uns Menschen heute nicht vorstellbar. In der Altsteinzeit blieb diese Art der Bestattung nur auserwählten Sippenmitgliedern vorbehalten. Die Knochen der Verstorbenen eignete sich die Sippe an und nahm sie mit.

Körperbestattungen fanden in der Altsteinzeit eher selten statt. Die Toten wurden in gestreckter Rückenlage, aber auch in Hockerlage beigesetzt. In der Bronzezeit wurden die Gräber in Ost-West -Richtung ausgerichtet. Grabbeigaben bestanden aus Keramik, meist in 1 bis 3 Gefässen. Zwischen Kopf und Schulter fand sich oft eine Schale mit Speisenbeigabe. Ein anderer Teil der Gräber erhielt Beigabe in Form von Bronze, zumeist Körperschmuck, Hals- und Armringe sowie Nadeln, jedoch keine Waffen.

Bei vielen Gräbern weisen Grabungsfunde auf Grabraub hin. Es ist für jene Zeit durchaus vorstellbar, dass bestimmte Beigaben zum Zweck der Wiederverwendung bzw. um sie erneut einer Bestattung beigeben zu können, ganz absichtlich einem Grab entnommen wurden. Galt der Verstorbene wie auch der ihr zugedachte persönliche Besitz erst einmal als auferstanden, d. h. ins Jenseits gelangt, dann konnte man den toten Gegenstand entnehmen und neu mit Leben erfüllen.

Selbstmörder galten im allgemeinen als gefährliche Tote. Bei den Naturvölkern wurden sie teils bewundert, teils abgelehnt. Im Mittelalter wurde der Selbstmörder mit dem Gesicht nach unten in das Grab gelegt, aus Furcht, er könnte wiederkehren. Ebenso wurde mit Hexen, Zauberern und Pesttoten verfahren. Eine Bestattung mit dem Gesicht nach unten galt als Strafe. Vor gefährlichen Toten konnte man sich auch durch Abwehrzauber schützen, z. B. durch besondere Grabbeigaben wie Amulette.

Der Brauch, einem Toten vor der Beisetzung eine Münze in den Mund zu legen, wurde in den verschiedensten Teilen Europas zu unterschiedlicher Zeit ausgeübt. Für eine solche Münze wird häufig die Bezeichnung Obolus verwendet. Nach antik-griechischer Auffassung diente die Obolusmünze dazu, den Fährmann Charon für die Überfahrt in die Unterwelt zu bezahlen.

In der römischen Kaiserzeit wurden häufig Waffenbeigaben gegeben, meistens als Teilbeigaben, auch Pars-pro-totogenannt. Das Schwert selbst wurde zurückbehalten – aufgrund seines materiellen oder auch übertragenen Wertes, wenn z.B. besonders erfolgreiche Kämpfe damit bestanden worden waren – und die Scheide sozusagen als „Ersatz“ in das Grab gelegt.

Die Franken pflegten vom 4. – 6 ./7. Jahrhundert Angehörigen des Adels reiche Beigaben ins Grab zu legen. Diese Sitte hatte auch auf die Germanen übergegriffen und so zur Entstehung und Verbreitung von Reihengräbern geführt. Der zunehmende Einfluss des Christentums kann sicherlich in der Bestattung ohne Beigaben und in der Anlage von Gräberfeldern in direkter Nähe von Kirchen seit dem 7. und 8. Jahrhundert gesehen werden.

 

In der griechisch-römischen Antike erfolgte die Totenbestattung außerhalb der ummauerten Stadt in Gräberfeldern. Dies stellte eine Schutzmaßnahme der Lebenden vor der Wiederkehr der Toten dar und erfolgte auch aus hygienischen Gründen. Auch Gräber von Märtyrern und Heiligen waren hiervon betroffen.

In der Spätantike übten diese Gräber eine starke Anziehungskraft auf die Gläubigen aus, die glaubten, dass jene einen bevorzugten Platz im Jenseits erhielten und man daher deren Nähe suchte. So entstand ein Reliquienkult, weil man die sterblichen Überreste der Märtyrer und Heiligen teilen oder an andere Orte bringen wollte. Viele Reliquien kamen in die Stadtkirchen, so dass Begräbnisse innerhalb der Stadtkirchen immer beliebter wurden. Nur hochgestellte Geistliche und adelige Stifter kamen jedoch in den Genuss von Gräbern innerhalb der Kirche. Im Zuge dieser Entwicklung wurde das Begräbnis der Christen in das unmittelbare Umfeld der Kirche gelegt. Daraus wiederum folgte, dass die Friedhöfe letztendlich ebenfalls innerhalb der Stadtmauern ihren Platz fanden. Darüber hinaus gab es noch die Sonderfriedhöfe, die Leprakranken, Armen, Pilgern, Fremden und Andersgläubigen – vor allem Juden – vorbehalten wurden.

Zum Zeitpunkt der Reformation nahmen die Reformatoren die Pestwellen zum Anlass zur räumlichen Trennung von Stadt, Kirche und Friedhof. Ein weiteres Argument der Reformatoren waren hygienische Bedenken wegen der Bestattung in der Nähe von Wohnungen. Die Folge davon war ein europaweites Verbot von Bestattungen innerhalb der Kirche.

Die Reformatoren waren auch der Auffassung, dass Friedhöfe Umfassungsmauern zur strikten Trennung von Lebenden und Toten benötigten. Ferner wollten sie den Friedhof zu einem ruhigen Ort machen – dieser hatte nämlich im Mittelalter noch andere Funktionen: er diente als Gerichtsstätte, Marktplatz, Versammlungsort, Ort der Eheschließung, Festplatz sowie als Sammelplatz für Kriegszüge oder zur Verteidigung. Als Folge der medizinischen „Entdeckung“ des Scheintodes wurde die dreitägige Frist zwischen Tod und Bestattung eingeführt.

Massengräber können möglicherweise das Ergebnis der Sitte sein, nur an bestimmten Tagen oder zu bestimmten Jahreszeiten beizusetzen. Bei den Skythen (Angehörige eines alten nordiranischen Reitervolkes) musste der fürstliche Tote erst eine Reise durch sein Land unternehmen. Die australischen Unghi trugen den gedörrten Leichnam monatelang durch ihr Gebiet, bevor sie ihn beisetzten.

In ganz Estland und im Norden Lettlands sind die sogenannten Steinsetzungsgräber verbreitet. Sie bestehen aus einer oder mehreren rechteckigen mit Steinmauern umfassten Zellen. Die Verstorbenen wurden mit dem Kopf nach Norden bestattet.

Die Stämme der Balten führten Mehrfachbestattungen in Hügelgräbern durch, die aus Sand aufgeschüttet wurden. In jedem einzelnen Hügel gibt es mehrere Bestattungen. Die Verstorbenen wurden unverbrannt beigesetzt. Der für die Bestattung ausgewählte Platz wurde mit einem Kreis aus großen Feldsteinen umringt.

Die Litauer besaßen Brandgräber, wobei mit dem Mann zusammen häufig auch sein Pferd bestattet wurde.

Im Mittelalter erfolgten die Bestattungen mit Blickrichtung gegen Sonnenaufgang. Im Frühmittelalter waren die Arme entlang des Körpers ausgestreckt, im Spätmittelalter zum Gebet verschränkt.

Im 19. Jahrhundert verändert sich das Begräbniswesen aufgrund von Industrialisierung, zunehmender Mobilität und demographischer Veränderungen. Ebenso zeichnete sich ein Wandel in der Mentalität ab – das Ausrufen Verstorbener wurde durch die mit Boten versandt gedruckte Todesanzeige oder Zeitungsannonce abgelöst.

Das bisherige Tragen der Toten zum Friedhof wurde durch Leichenwagen ersetzt. Das Begräbnis als gesamtgesellschaftliches Ereignis wurde nun auf die engsten Familienangehörigen beschränkt – nur diese durften noch das Friedhofsgeleit geben. Es entwickelte sich ein starkes Bedürfnis nach familiärer Bindung auch über den Tod hinaus, die ihren Ausdruck in individueller Grabpflege sowie die Vereinigung von Familienmitgliedern in einem Grab fand.

Die seit dem Barock übliche Gartenarchitektur fand Eingang in die Friedhofsgestaltung – strenge Geometrie von Mauern, Zäunen, Hecken und Wegen. So entstanden exakt vermessene Grabparzellen, die uns noch heute auf dem Friedhof begegnen.

Durch die Industrialisierung sowie die Zunahme der Bevölkerungszahl war das Grab kein Privileg der Oberschicht mehr. Auch breite Bevölkerungsschichten hatten nun Zugang dazu. Das Grab wurde individuell, mit Namenszug und Schmuck. Bis heute ist die Grabgestaltung strengen Normen unterworfen. Es fand eine Uniformierung der Grabzeichen statt. Das Grabmal wurde zur Handelsware, individuelle Anfertigungen waren immer seltener.

Abschließend einige bei Grabmalen verwendete Zeichen, deren Urformen weit zurückreichen und deren Bedeutung.

Quellen:

  • Martin Illi, „Wohin die Toten gingen“, Chronos Verlag Zürich
  • Leena Ruuskanen, „Der Heidelberger Bergfriedhof“, Verlag Brigitte Guderjahn, Heidelberg
  • Fritz Horst und Horst Keiling, Herausgeber, „Bestattungswesen und Totenkult in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, Akademie-Verlag Berlin
  • Dr. Hans-Kurt Boehlke, aus: Jahrbuch 1986 des Bildhauer- und Steinmetzhandwerks Baden, Karlsruhe 
  • Johannes Netz, „Der Steinmetz“, Callwey Verlag, München

Zusammengestellt und entworfen von: Claudia Händel